
Episode 2
Angst im Hellen
- Hamster 02 zum Hören
Es ging gleich in der ersten Nacht los. Um halb drei erwachte Nico, weil er seltsame Geräusche hörte, die ihm grosse Angst einjagten. Dieses Schleifen und Kratzen hatte er noch nie gehört. Das war viel gruseliger als die normalen Monster unter seinem Bett oder der dicke Leguan im Kleiderschrank. Dann war es eine Weile wieder ganz still, bis Nico im Gang Schritte hörte. War ein Einbrecher in ihrer Wohnung?
Nico versuchte Rona mit Husten und Zischen zu wecken. Aber sie schlief tief und fest. Und dann machte sich jemand an seiner Zimmertüre zu schaffen. Der Einbrecher wollte zu ihnen ins Schlafzimmer. HILFE! Sollte Nico jetzt laut losschreien? Sollte er das Licht anmachen? Sollte er aus dem Fenster springen? Oder Rona wecken?
Er beschloss, sich ganz klein zu machen und verkroch sich am Fussende seines Bettes unter der Decke. «Sag mal, schläfst du immer so oder was?», sagte eine hohe Stimme. Nico hörte aber nichts.
«SAG MAL, SCHLÄFST DU IMMER SO ODER WAS?», wiederholte die Stimme laut.
Rona fuhr aus dem Schlaf hoch und schrie nach Nico. Nico fuhr hoch und schrie nach Rona.
«Hey, cool bleiben!», rief der Hamster. «Ich wollte nur fragen, ob ihr diese dämliche Türe öffnen könntet.»
«Wie bist du denn aus der Villa freigekommen?», fragte Nico ungläubig.
«Wir Hamster haben scharfe Zähne. Aber diese doofe Türe ist zu hart.»
«Wo willst du denn hin?»
«Ich habe Hunger.»
«Was, mitten in der Nacht?»
«Ja, logisch.»
Der Hamster erklärte ihnen, dass Hamster meist nachts wach sind und am Tag schlafen. Das fanden die Kinder sehr schade. Die beiden gingen in die Küche auf der Suche nach etwas Futter. Aber stattdessen fanden sie Mäm mit Tränen in den Augen.
«Ach Kinder», sagte sie, «könnt ihr auch nicht schlafen? Ihr macht euch bestimmt grosse Sorgen. Es wird schon gut kommen. Kommt her.» Sie drückte die beiden an sich und schluchzte. Die Kinder konnten fast nicht atmen. Dann kam Paps. «Was ist denn hier los?», fragte er.
«Die Kinder haben Angst vor diesem Virus», sagte Mäm. «Ach, Kinder, uns geschieht doch nichts. Jetzt werden alle im ganzen Land vorsichtig sein, damit sich niemand mehr ansteckt und bald ist die Krise vorbei und alles ist wieder ganz normal.»
Nico und Rona wollten jetzt aber nicht über Viren und Krisen sprechen, sondern eine Karotte oder sonst etwas für den Hamster suchen. Nachdem die Eltern sie lange getröstet und ein paar Lieder gesungen hatten, konnten die beiden endlich wieder ins Zimmer. Rona schnappte sich auf dem Weg zwei Tulpen aus einer Vase. Vielleicht fressen Hamster ja Tulpen?
Der Hamster war sauer, dass sie so lange gebraucht hatten, aber es stellte sich heraus, dass er Tulpen über alles liebte. Als er sich zufrieden über den Bauch streichelte, fragte Nico: «Hast du denn keine Angst, wenn du die ganze Nacht im Dunkeln wach bist?»
«Oh nein, nie. Ich habe am Tag Angst, wenn es hell ist und mich die anderen Tiere und die grossen Vögel sehen und mich fressen wollen. In der Nacht habe ich Ruhe.»
«Bei uns ist es umgekehrt», sagte Nico. «Ich habe hier manchmal Angst, wenn es dunkel ist.»
«Aber der dicke Leguan im Schrank kann dir dann nichts tun, weil er dich im Dunkeln nämlich gar nicht sieht», sagte der Hamster.
«WAS? WIE? Du kennst den Leguan?»
«Klar doch, wir sind schon Freunde geworden.»
«Was für ein Leguan?», wollte Rona wissen. Das war Nico etwas peinlich, denn er hatte Rona noch nie vom Leguan erzählt.
«Und die Vogelspinne auf der Lampe habe ich auch schon kennengelernt», verkündete der Hamster.
«Was für eine Vogelspinne?», rief Nico.
Jetzt war es peinlich für Rona. Dann fragte Nico: «Kennst du denn auch die Monster unter meinem Bett?»
«Was, du hast auch Monster unter dem Bett?», rief Rona. Nico nickte verschämt.
«Nein», sagte der Hamster, «unter euren Betten hat es keine Monster. Was für eine dämliche Idee. Es hat nur Spielsachen und viel Staub. Und jetzt wäre ich froh, wenn ihr endlich das Licht löschen könnt. Sonst kriege ich Angst.»
Nico und Rona schüttelten den Kopf und begannen laut zu lachen.
«Jemanden auslachen, wenn er Angst hat, ist sehr gemein!», schimpfte der Hamster.
«Aber der Leguan und die Spinne sind doch deine Freunde», sagte Nico.
«Ja, die schon, aber der gelbe Gecko zwischen den Büchern schaut mich immer so hungrig an. Löscht jetzt endlich das Licht!»
Ach, was war denn dieser Hamster für ein komischer Kerl?
Rona löschte das Licht und die Kinder schliefen mit einem Lächeln auf den Lippen ein.
Beschäftigungsideen
- Erzähle uns von den Monstern in deinem Schlafzimmer. Zeichnungen dazu sind auch willkommen. Sendet eure Texte und Bilder per Mail an hamster@andrewbond.ch >>>