
Episode 8
Bas ist die Belt?
- Hamster 08 zum Hören
In der Nacht hatte Fidschi keine Lust, in Nicos Matratze Höhlen zu graben. Sie war schon den halben Tag lang in Spinnfäden eingewickelt gewesen, das war für den Moment genug Enge. Und sie hatte dort Angst gehabt und sich gefragt, ob Vogelspinnen auch Hamster fressen. Jetzt brauchte sie etwas Platz und Freundschaft.
Zuerst kuschelte sie sich auf Ronas Decke und döste ein paar Stunden, aber spätestens um Mitternacht war sie hellwach.
Sie beschloss, den dicken Leguan im Kleiderschrank zu besuchen. Aber der war gar nicht einfach zu finden. Sie kletterte mehrmals im Kasten hoch und runter, kroch zwischen den Kleidern hin und her, schlüpfte in die Schubladen, hangelte sich von Kleiderbügel zu Kleiderbügel. Wo war nur der dicke Leguan?
Endlich entdeckte sie ihn hinter zwei Stapeln Pullover. Dort hatte er einen weichen Faserpelzpulli gestopft und sich daraus ein Nest gebaut, das zugedeckt war mit einem dicken Winterpulli.
«Da bist du ja!» rief Fidschi. «Endlich habe ich dich gefunden.»
«Bas billst du bon bir?», fragte der Leguan mürrisch.
Es tönte, als sei er stark erkältet. Eigentlich hatte er sagen wollen: «Was willst du von mir.»
«Lass bich in Ruhe», fuhr er fort.
«Nein, komm, wir spielen Versteckerieren», schlug Fidschi vor. «Ich habe dich gefunden und jetzt musst du mich suchen. Kannst du zählen?»
«Sicher kann ich das. Beinst du, ich bin doof?»
«Na, dann los. Auf 100!» Und schon war Fidschi verschwunden. Sie versteckte sich in der Tasche einer Skijacke und es dauerte eine Weile, bis der Leguan sie gefunden hatte.
Dann durfte sich der Leguan verstecken und danach wieder Fidschi. Und je länger sie spielten, umso freundlicher wurde der Leguan.
«Jetzt habe ich aber Hunger», sagte er, «billst du auch etbas?»
«Ja, ich könnte auch etwas vertragen. Was frisst du eigentlich? Tulpen? Oder Heu?»
«Bein! Ich fresse Socken, am liebsten alte, stinkige Socken.»
Er zog eine halb zerfressene, übelriechende Socke aus seinem Nest und streckte sie Fidschi hin.
«Also sooooo fest Hunger habe ich doch wieder nicht», sagte Fidschi. Der Leguan mampfte los.
Dann fragte Fidschi: «Du, sag mal, hast du eigentlich einen Namen?»
«Bas ist das?», fragte der Leguan.
«Jeder hat doch einen Namen. Das ist…ähm, das ist ein Wort, das nur zu dir gehört. Also mein Name ist Fidschi und die Kinder heissen Nico und Rona.»
«Ich bin ein Leguan.»
«Ja schon, aber Leguane gibt es viele. Wenn ihr Leguane untereinander seid, dann heisst doch sicher jeder anders», erklärte Fidschi.
«Ich bin nie bit anderen Leguanen zusabben.»
«Warum denn nicht?»
Der Leguan erzählte seine Geschichte.
Wo und wann er geboren worden war, wusste er nicht. Daran mag sich ja niemand selber erinnern. Seine früheste Erinnerung war eine Kiste voller Ananas und er steckte mittendrin. Es war dunkel und es schaukelte auf und ab.
Nach vielen, vielen Stunden öffnete jemand diese Kiste. Es wurde hell und es wurde laut, weil dieser jemand einen furchterregenden Schrei ausstiess: «Hilfe, ein Monster, ein Drache, ein Irgendwas. Hier in der Kiste. Schaut mal das an!» Dann wurde es noch lauter und jemand begann mit einem harten Gegenstand auf den Leguan zu schlagen. Das war sehr schmerzhaft.
Der Leguan nahm alle seine Kraft zusammen, sprang aus der Kiste und rannte fort. Die Menschen warfen Gegenstände nach ihm und fluchten, aber er konnte entwischen und sich in einer dunklen Ecke verstecken.
Als die Luft rein war, wagte er sich aus seinem Versteck heraus. Er hatte Hunger. Er befand sich in einer riesigen Halle voller Kisten und Gestellen und Lastwagen. Zwei, drei Ratten huschten herum, aber der Leguan war zu langsam, um sie zu fangen, und er mochte Fleisch ohnehin nicht so sehr. Dann roch er etwas, das seinen Appetit weckte. Der wunderbare Duft strömte aus einem Lastwagen, dessen Kabinenfenster offen war. Mit Mühe und Not konnte er hineinklettern. Hinter den Sitzen fand er eine Schlafkabine und dort herrlich schmeckende, alte Socken. Er fühlte sich wie im Paradies. Mit vollem Bauch schlief er ein und erwachte erst, als der Motor des Lastwagens startete.
Viele Jahre lang lebte der Leguan in der Lastwagenkabine, bis er eines Tages zusammen mit vielen Kleidern und Tüchern in eine grosse Tasche gestopft wurde und in einem Kleiderschrank endete. Dieser Schrank wurde in den folgenden Jahren mehrmals geleert und gezügelt und wieder gefüllt. Immer konnte sich der Leguan in den Kleidern verstecken. Und jetzt war er hier.
Er tat Fidschi leid. «Hast du dich immer nur zwischen Kleidern versteckt? Warst du nie draussen? Hast du die Welt noch nie richtig gesehen?»
«Bas ist die Belt?»
«Die Welt? Das ist alles. Das sind Häuser und Strassen und Wiesen und Bäume und der Himmel und Spielplätze und Seen und Wolken und Tiere und Vögel und Menschen und Autos und die Sonne und der Mond und Regen und Schnee und Tulpen, ach, alles, alles, alles», ereiferte sich Fidschi.
«Das tönt aber kobpliziert», sagte der Leguan skeptisch.
«Aber es ist schön und spannend und lustig.»
«Ist es nicht gefährlich?»
«Doch, das ist es auch.»
«Dann bleibe ich lieber hier im Schrank», sagte der Leguan.
Fidschi konnte ihm so gut zureden, wie sie nur wollte. Der Leguan wollte die Welt einfach nicht sehen. Sie interessierte ihn nicht. Und dann hatte Fidschi die zündende Idee.
«Ich muss jetzt gehen, Leguan», sagte sie. «Aber ich bin bald wieder zurück. Tschüss.»
«Auf Biedersehen!»
Beschäftigungsideen
Jetzt braucht ihr auch noch einen Leguan und zwar einen möglichst dicken. Am besten bastelt ihr einen aus einer alten Socke, die ihr mit irgendetwas stopft. Dann näht oder klebt ihr ein Gesicht drauf und Beine.
Wir freuen uns auf Fotos eurer Leguane. Ihr könnt sie senden an hamster@andrewbond.ch.
Und euer Leguan braucht natürlich einen Namen.