Episode 22

Es knallt im Gummistiefel

  • Hamster 22 zum Hören

Es folgte eine Woche mit Schule-Zuhause am Morgen und viel freier und manchmal auch langweiliger Zeit am Nachmittag. Mäm und Paps waren meist beide zuhause. Mäm fuhr nur noch ab und zu mit leeren Zügen durch die Gegend. Paps arbeitete von zuhause aus. Man begann sich an die besondere Krisensituation zu gewöhnen. Aus aller Welt waren zwar schlimme Nachrichten zu hören und keiner konnte sagen, wie lange die Krise dauern würde, aber in ihrer kleinen Welt war das Leben von Nico und Rona eigentlich ganz in Ordnung.

Seit der Geschichte mit der Olivenölflasche hing ein Plakat am Balkon von Renato und Jürgen. Da stand:
BRAUCHT JEMAND HILFE?
Z.B. EINKAUFEN?
ANRUF GENÜGT 078 455 75 55.

Und kurz darauf hing auch ein Plakat bei den alten Schwestern Hildebrand: HAT JEMAND WOLLRESTEN? Die beiden hatten begonnen, grosse Blumen zu häkeln, mit denen sie ihren Balkon verschönern wollten.

Im zweiten Stock hing ein Zettel mit der Bitte: HAT JEMAND GITARRENSAITEN? BRAUCHE A & D.

Und auf einem anderen Balkon war zu lesen: HABE VIELE COMICS ZUR AUSLEIHE. NUR MELDEN! WILLI, WOHNUNG 17.

Zwischen den Balkonen von Anna und den Bergers gondelte die Helikopterseilbahn wacker hin und her. Es gab Witze zu lesen und Rätselaufgaben zu lösen. Und wenn die richtige Antwort zurückkam, gab es eine kleine Belohnung.

An einem Nachmittag kam ein besonderer Brief von Anna.

"Liebe Rona und Nico
Es ist cool, mit euch Seilbahn zu spielen.
Ich habe eine Frage, die mich beschäftigt.
Ich kenne ja euren lustigen Hamster. Der ist echt.
Aber was ist mit den anderen Tieren, mit denen ihr spielt?
Sind das Stofftiere oder echte Tiere? Manchmal habe ich das Gefühl, sie bewegen sich.
Seid mir nicht böse, aber ich habe euch mit dem Fernglas beobachtet.
Ist das ein echter Leguan?
Habt ihr wirklich eine Spinne als Haustier? Das ist doch gruselig.
Was ist das komische, flache, gelbe Tier für eine Tierart?

Oh, sorry, das waren jetzt viele Fragen.
Ich bin sehr gespannt auf eure Antwort.

Liebe Grüsse
Anna"

So schrieben sie hin und her und Nico und Rona erklärten Anna alles über die Fybbbs.

Dann berichtete Anna, was sie sonst noch niemandem erzählt hatte. In ihrer Wohnung lebte ein Knallamander. Das war ein kleines, giftgrünes Tierchen, das mitten in der Nacht ohrenbetäubend lärmen konnte. Er knarrte und knallte und kratzte und krachte jeweils nur kurz, dafür umso heftiger.

Als kleines Kind musste Anna deswegen häufig weinen und zu ihrer Mutter ins Bett schleichen. Aber ihre Mutter sagte immer, der Lärm sei vom Kühlschrank oder vom Wind oder vom Nachbarn oder Anna hätte das nur geträumt. Aber wenn Anna bei ihrem Vater war, träumte sie keine solchen Sachen und die Nächte dort blieben ruhig.

Eines Tages stieg Anna in einen Gummistiefel und dann knallte es richtig, richtig laut. Anna rannte vor Schreck davon, ohne den Gummistiefel auszuziehen. Es knallte und lärmte weiter. Anna schrie und schrie. Endlich half ihr ihre Mutter, den Stiefel auszuziehen und da entdeckten sie den giftgrünen Knallamander. Er hatte orange Augen und orange Flecken auf dem Rücken und alle paar Sekunden streckte er seine schwarze Zunge raus.

«Spinnst du eigentlich?» schrie der Knallamander laut. «Wolltest du mich zerquetschen? DU TIERQUÄLERIN!!!!»

Anna hielt sich die Ohren zu und entschuldigte sich. Sie versicherte ihm, dass sie das nicht absichtlich getan hatte. Der Knallamander beruhigte sich wieder.

Anna und ihre Mutter fanden heraus, dass er nur dann laute Geräusche machte, wenn er sich bedroht fühlte.

Also baute ihm Anna einen gemütlichen Käfig mit einer schönen Blumentapete, drei bequemen Liegesesseln und sogar einer kleinen Lampe, die der Knallamander einschalten konnte, falls er sich bedroht fühlte. Von da an waren die Nächte viel, viel ruhiger.

Nun wollte Anna wissen, ob der Knallamander die Fybbbs besuchen dürfe oder ob die Fybbbs zu ihr auf Besuch kommen wollten. Sie wollte natürlich selber den Dicken Leguan, den Gelben Gecko, die Vogelspinne und die siamesische Zweidechse kennenlernen.

Die drei Kinder waren sicher, dass solche Tiere den Virus nicht verbreiten würden und es erlaubt war, sie zu andern auf Besuch zu schicken.

Beim ganzen Spass und der ganzen Aufregung bemerkten Nico und Rona nicht, dass sie von ihren Eltern durchs Fenster beobachtet wurden.

 

Beschäftigungsideen

Wer von euch häkeln kann, kann ja bunte Blumen machen.
Oder ihr schickt jemandem einen Zettel mit einem Witz oder einem Rätsel.

 

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