
Episode 5
Höhlen graben
- Hamster 05 zum Hören
Wer noch nie von Kappadokien gehört hat, denkt vielleicht, das sei eine erfundene Gegend.
Und er stellt sich andere erfundene Gegenden vor, die dazu passen wie zum Beispiel die Handschurei oder Schalaska.
Aber Kappadokien gibt es tatsächlich und zwar mitten in der Türkei.
Das Besondere an Kappadokien ist ein Stein, der Tuff heisst. Stellt euch vor, ihr backt grosse Kekse. Im Teig hat es Schokoladenstücke, gemahlene Nüsse und ein paar Smarties. Dann versteckt ihr die Kekse für etwa 10 Jahre an einem trockenen Ort. Sie sind dann zwar steinhart aber man kann sie trotzdem gut zerbröckeln oder schneiden. So ist Tuff.
Tuff entsteht, wenn ein Vulkan ausbricht und es Asche und kleine Steine vom Himmel regnet. Das kann viele Meter dicke Schichten geben, die mit den Jahren zwar hart werden, sich aber trotzdem gut zerschneiden lassen.
Ähnlich wie wir manchmal Löcher und Gänge in grosse Schneehaufen graben, haben die Kappadokier ganze Städte in den Tuff geschnitten. Die heissen zum Beispiel Ürgüp, Göreme, Kaymakli oder Derinkuyu. Und das sind im Fall keine erfundenen Namen. Es gibt dort Wohnhäuser und Ställe und Geschäfte und Kirchen.
Und genauso graben sich auch die Felshamster ihre Höhlen in den Tuff.
Das alles wusste Fidschi nicht. Sie war ja noch nie in Kappadokien gewesen, sondern in der Tierhandlung zur Welt gekommen. Sie war völlig begeistert, als ihr die Kinder davon berichteten und Bilder zeigten und verlangte, dass Nico und Rona sofort einen grossen Tuffstein ins Zimmer stellten. Die beiden lachten nur, was Fidschi gar nicht lustig fand.
«Wie soll denn ein kappadokischer Felshamster ohne Tuffhöhle glücklich werden?», rief sie verzweifelt.
In der nächsten Nacht legte sie los.
Und zwar am Fussende von Ronas Matratze.
Fidschi begann sich eine Höhle zu graben. Mit ihren kleinen Pfoten und den starken Zähnen riss sie zuerst ein Loch in das Leintuch und drang dann beissend und scharrend immer tiefer hinein.
Die Kinder hörten nichts. Am Morgen waren sie erstaunt, Fidschi nicht in ihrer Villa zu finden. Aber dann fanden sie die vielen Schaumstofffetzen auf dem Boden vor dem Bett.
Ach nein! Die Kinder wussten nicht so recht, ob sie das jetzt lustig finden sollten oder nicht.
Sie versuchten Fidschi aus ihrer neuen Höhle zu locken, was erst gelang, als ihr Rona eine Tulpe versprach.
«Fidschi, du kannst doch meine Matratze nicht zerfressen», sagte Rona.
«Oh doch, das geht sogar sehr gut», sagte Fidschi strahlend. «Es macht auch total Spass. Genau fürs Höhlerieren bin ich geboren. Endlich fühle ich mich wie ein echter Felshamster. Und es ist so schön dunkel dort drin.»
Nico schüttelte nur den Kopf. Seufzend öffnete er die Storen und reichte Fidschi die Sonnenbrille.
«Nächste Nacht höhleriere ich in deiner Matratze», sagte Fidschi voller Vorfreude.
«Oh, nein, bitte nicht. Ich weiss nicht, ob ich schlafen kann, wenn es einen Hamster in der Matratze hat», sagte Nico.
«Man merkt gar nichts», sagte Rona. «Es ist doch auch cool, oder? Auf jeden Fall ist es weniger schlimm als die Monster unter der Matratze.»
Die Kinder beschlossen, ihren Eltern nichts zu erzählen und putzten den Abfall weg. Sie befürchteten, dass Fidschi sonst in einem echten Käfig mit Metallgitter wohnen müsste. Und das wäre schade um die schöne Hamstervilla, die sie gebaut hatten.
Dann hatte Rona eine Idee. Mäm hatte kürzlich einen neuen Computer samt Drucker gekauft. Im Keller hatte es noch grosse Stücke Styropor von der Verpackung. Die klebten sie an die Hamstervilla und Fidschi begann sofort mit Lust darin zu graben.
Aber bald schon war sie müde. Die Nacht war ja auch recht anstrengend gewesen.
Sie gähnte: «Erzählt ihr mir mehr von Kappadokien? Und was tun Felshamster sonst noch?»
«Ich glaube, die spielen Eishockey», witzelte Nico.
Rona lachte: «Ja, und sie tanzen Ballett.»
«Und die ganz Geschickten können sogar fliegen wie die Vögel», sagte Nico.
Das hätte er besser nicht gesagt. Er bereute es später sehr.
Die Kinder wurden zum Frühstück gerufen und Fidschi ging in ihre Matratzenhöhle schlafen.
Weil es schönes Wetter war, unternahmen Nico, Rona und ihre Eltern eine Fahrradtour und danach spielten die Kinder im Innenhof der Siedlung auf dem Kletterturm.
Merkwürdigerweise waren dort nicht so viele Kinder wie sonst und immer wieder sagte jemand: «Kommt nicht zu nahe.»
Nico wollte trotzdem von Fidschi erzählen. «Habt ihr noch einen Hamster erwischt?», fragte er Anna aus dem dritten Stock.
Anna verstand überhaupt nicht, von was er redete. «Was sollen wir denn mit einem Hamster?»
«Ich dachte, alle Leute hätten jetzt einen Hamster gekauft», sagte Nico.
«So ein Blödsinn. Ich glaube, du hast einen Vogel», sagte Anna.
Und da hatte sie recht, denn plötzlich hörten Rona und Nico ein lautes Pfeifen von ihrem Balkon. Dort - im zweiten Stock - stand Fidschi auf dem Geländer. Sie breitete ihre Arme aus und sprang los.
Beschäftigungsideen
Was denkt ihr? Was geschieht jetzt?
Berichtet uns davon mit einer Email an hamster@andrewbond.ch.